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Bundesfinanzhof dehnt Haftung von Organgesellschaften aus

ECLI:DE:BFH:2022:U.050422.VIIR18.21.0

Wiesbaden, den 08.09.2022

 

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 05.04.2022, Az. VII R 18/21, veröffentlicht am 08.09.2022, den Umfang der Haftung von Organgesellschaften für Umsatzsteuer klargestellt. Eine Organgesellschaft ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert. Diese „umsatzsteuerliche Organschaft“ stellt für Umsatzsteuerzwecke ein einheitliches Unternehmen dar. Alle Steuerpflichten, einschließlich der Abgabe von Voranmeldungen und Jahressteuererklärungen, hat der Organträger zu erfüllen.

 

Im entschiedenen Fall ist vor dem Monatsende das Insolvenzverfahren über die eingegliederte Organgesellschaft eröffnet worden. Damit endete die umsatzsteuerliche Organschaft. Die Umsatzsteuer für diesen Kalendermonat hat der Organträger, ebenfalls eine GmbH, fristgerecht angemeldet. Auch der Organträger musste Insolvenz anmelden, so dass die angemeldete Umsatzsteuer nicht bezahlt werden konnte. Das Finanzamt meldete nun die nicht bezahlte Umsatzsteuer beim Insolvenzverwalter der Organgesellschaft als Forderung an. Der Insolvenzverwalter erhob dagegen erfolglos Einspruch und klagte vor dem Finanzgericht. Das Finanzgericht gab dem Insolvenzverwalter zwar Recht: Zwar sehe das Gesetz in § 73 Abgabenordnung (AO) eine Haftung von Organgesellschaften vor. Allerdings entstehe die Umsatzsteuer jeweils erst mit dem Ablauf eines Voranmeldungszeitraums, hier mit dem Ablauf des Kalendermonats. Da das Insolvenzverfahren der Organgesellschaft aber während des laufenden Kalendermonats eröffnet worden sei, habe der Fälligkeitszeitpunkt der Steuer erst nach Beendigung der Organschaft gelegen. Aus diesem Grund sei die Steuer außerhalb der Organschaft entstanden und die Organgesellschaft hafte nicht. Mit dieser Entscheidung hatte das Finanzgericht (EFG 2021, 1953) die herrschende Meinung in der Rechtsliteratur übernommen, die schon seit langem davon ausging, dass sich die Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers nur auf solche Steuern beschränkt, die während der Dauer des Organschaftsverhältnisses entstanden sind. (Rüsken, in: Klein, Abgabenordnung, 15. Auflage, § 73 Rdnr. 6). Dieser Auffassung hat der BFH nun in seiner Entscheidung eine Absage erteilt. Der BFH schloss sich vielmehr der Finanzverwaltung an, die schon bisher der Auffassung war, dass es für eine Haftung der Organgesellschaft ausreiche, wenn Steuern während der Dauer der Organschaft verursacht worden sind (AEAO zu § 73 Ziffer 3.2.). Denn der Haftungstatbestand des § 73 AO wolle eine Haftungslücke vermeiden. Würde die Haftung alleine auf solche Steuern beschränkt, die tatsächlich innerhalb des wirksamen Organschaftsverhältnisses entstanden seien, drohten Fälle wie der vorliegende, in dem das Organschaftsverhältnis vor dem steuerlichen Entstehungszeitpunkt beendet werde und die Steuer dann beim Organträger nicht mehr einbringlich ist. Diese Einschätzung entspricht nach Auffassung des Bundesfinanzhofs auch dem gesetzgeberischen Willen, wie er sich bei der Einführung von § 73 AO 1977 ergeben habe. Es ist deshalb nach Auffassung des BFH stets zu differenzieren: Umsatzsteuer, soweit sie während des bestehenden Organschaftsverhältnisses entstanden ist und auf die Organgesellschaft entfällt, unterliegt noch der Haftung. Die Umsatzsteuer, die erst nach der Beendigung des Organschaftsverhältnisses durch Insolvenzeröffnung entstanden ist, unterliegt der Haftung nicht mehr. Der Bundesfinanzhof hat hier eine Klarstellung vorgenommen, die das Haftungsrisiko für Organgesellschaften künftig erhöhen wird.

 

Wenn Sie Fragen zu dem Thema Haftung für Umsatzsteuer und umsatzsteuerliche Organschaft haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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Neuer BFH Beschluss stärkt die Rechtsposition der Steuerpflichtigen

ECLI:DE:BFH:2022:B.280722.IIB37.21.0

Wiesbaden, den 31.08.2022

 

Der BFH hat in seinem Beschluss vom 28.07.2022, Az. II B 37/21 (veröffentlicht am 25.08.2022), die Rechte von Steuerpflichtigen bei Kettenschenkungen gestärkt. In dem entschiedenen Fall hatte ein Vater seiner Tochter ein Grundstück geschenkt. In der gleichen Notarurkunde hat die Tochter sodann die Hälfte des Grundstücks an ihren Ehemann weiterverschenkt. Das Finanzamt hat sich auf den Standpunkt gestellt, damit liege eine Schenkung (des halben Grundstücks) des Vaters an seinen Schwiegersohn vor und hat Schenkungsteuer festgesetzt. Das Finanzgericht hat den Schenkungsteuerbescheid auf Klage des Schwiegersohns aufgehoben. Die dagegen vom Finanzamt erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH in seinem Beschluss zurückgewiesen.

 

Der entschiedene Fall ist ein Beispiel dafür, dass in der Praxis oft immer noch Kettenschenkungen in einer Notarurkunde zusammengefasst werden. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erlaubt das zwar. Der Bundesfinanzhof verlangt aber dann, dass der erste Beschenkte in seiner Entscheidung darüber, ob er überhaupt weiter verschenken möchte, tatsächlich frei ist (Dispositionsbefugnis) und dass dies aus der zusammengefassten Urkunde auch eindeutig hervorgeht.

 

Im entschiedenen Fall hatte das Finanzamt sich auf den Standpunkt gestellt, dass beide aufeinanderfolgenden Schenkungen so in der Urkunde zusammengefasst seien, dass sich aus der Urkunde nicht ergebe, dass die Tochter in ihrer Entscheidung über das Weiterverschenken frei wäre. Aus diesem Grund hatte das Finanzamt gegen das finanzgerichtliche Urteil Revision eingelegt.

 

Der Bundesfinanzhof ließ dieses Argument nicht gelten: Im vorliegenden Fall sei nicht ersichtlich, dass die zuerst beschenkte Tochter in ihrer Entscheidung über die Weiterschenkung an ihren Ehemann nicht frei gewesen sei. Alleine aus der Zusammenfassung in einer Urkunde lasse sich das nicht nehmen.

 

Der Fall zeigt jedoch, dass es in vergleichbaren Konstellationen stets empfehlenswert ist, die Schenkungen in zwei unterschiedlichen Notarurkunden durchzuführen. Zwar möchten die Beteiligten oft Notargebühren sparen. Der vorliegende Fall zeigt aber, dass es weitaus kostengünstiger ist, Kettenschenkungen von Anfang auf zwei Urkunden zu verteilen und zwischen diesen Urkunden nach Möglichkeit auch noch einen zeitlichen Abstand einzuhalten, als ein mehrjähriges Finanzgerichtsverfahren über diese Frage zu führen.

 

Wenn Sie Fragen zum Thema Kettenschenkung und zu deren steuerlicher Anerkennung haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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Neuer BFH-Beschluss bestätigt Rechtsprechung

ECLI:DE:BFH:2022:BA.230522.VB4.22.0

Wiesbaden, den 22.08.2022

 

Ob die Höhe von Säumniszuschlägen verfassungswidrig ist, ist seit langem umstritten. Gemäß § 240 Abgabenordnung (AO) fällt für festgesetzte, nicht bezahlte Steuern ein Säumniszuschlag von 1% pro angefangenen Monat an, stolze 12% pro Jahr. Die regulären Zinsen hingegen, die das Finanzamt für die Zeit bis zur Festsetzung berechnet, betragen nach der kürzlichen Neufassung von § 233a AO nur 1,8% pro Jahr. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte zuvor am 08.07.2021 (Az. 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282) entscheiden, dass der zuvor geltende Zinssatz von 6% pro Jahr für reguläre Zinsen verfassungswidrig hoch war und für Zeiträume ab dem 01.01.2019 überhaupt nicht mehr erhoben werden durften.

 

Für Säumniszuschlage ist anerkannt, dass sie zum Teil ein Druckmittel sind, um die Steuerpflichtigen zur Zahlung anzuhalten, zum Teil aber auch Zinscharakter haben, da sie den Fiskus für den Aufwand der nicht rechtzeitigen Zahlung entschädigen sollen. Daraus hat der Bundesfinanzhof schon bisher vereinzelt geschlossen, dass die Verfassungswidrigkeit der früheren Zinshöhe von 6% zumindest auch den Zinsanteil in den Säumniszuschlägen verfassungswidrig machen müsse. Das hat der Bundesfinanzhof jetzt in einem Beschluss vom 23.05.2022 bekräftigt (BFH, Beschluss vom 23.05.2022, V B 4/22 (AdV), lexinform-Dok.-Nr.: 4249563. 

 

Dabei geht der Bundesfinanzhof auch vom Beschluss des BVerfG vom 08.07.2021 aus. In Kenntnis dieser Entscheidung habe der VII. Senat des BFH in einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 31.08.2021 entschieden, dass er seine schon zuvor geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen aufrechterhält, da Säumniszuschlägen unter anderem auch eine zinsähnliche Funktion zukommt (BFH, Beschluss vom 31.08.2021, Az. VII B 69/21, n.v.). Dem hat sich nun der V. Senat in seinem Beschluss vom 23.05.2022, V B 4/22 (AdV) (veröffentlicht am 21.07.2022) angeschlossen. Da es zudem eine „Teilverfassungswidrigkeit“  nicht geben könne, erfassen die ernstlichen Zweifel die gesamte Höhe der Säumniszuschläge (vgl. BFH, Beschluss vom 04.07.2019, Az. VIII B 128/18, BFH/NV 2019, 1060, Rdnr. 16), die deshalb in dem entschiedenen Fall in voller Höhe ausgesetzt wurden.  

 

 

 

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 23.05.2022 erging in einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes (Aussetzung der Vollziehung), so dass abzuwarten bleibt, wie das Gericht diese Frage in der Hauptsache entscheidet. Da nun aber schon zwei Senate des BFH ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen geäußert haben und der Beschluss nun auch veröffentlicht wurde, zeichnet sich hier eine Rechtsprechungsmeinung zugunsten der Steuerpflichtigen ab. Säumniszuschläge sollten deshalb mit Hinweis auf diese Rechtsprechung angegriffen und der Höhe nach überprüft werden.

 

Wenn Sie Fragen zu Säumniszuschlägen und zu den Auswirkungen des BFH-Beschlusses vom 23.05.2022 haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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Urteil des BFH ermöglicht Werbungskostenabzug

ECLI:DE:BFH:2022:U.080322.VIR19.20.0

Wiesbaden, den 23.08.2022

 

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 08.03.2022, Az. VI R 19/20 (veröffentlicht am 18.08.2022), die Rechte von Geschäftsführern gestärkt, die für Steuerschulden ihrer GmbH in Haftung genommen wurden. Gemäß §§ 69, 34 Abgabenordnung (AO) haften gesetzliche Vertreter, wie zum Beispiel ein GmbH-Geschäftsführer, für Steuerschulden ihrer GmbH, soweit sie Steuerpflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht erfüllt haben. Im entschiedenen Streitfall wurde ein GmbH-Geschäftsführer in Haftung genommen und wollte sodann den von ihm bezahlten Haftungsbetrag als Werbungskosten von seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit absetzen. Das Finanzamt hat den Werbungskostenabzug zunächst ganz, dann teilweise verweigert und sich dabei auf § 12 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) gestützt. Danach dürfen Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Das Finanzgericht hat dem Steuerpflichtigen Recht gegeben und den Werbungskostenabzug zugelassen. Diese Entscheidung bestätigt nun auch der Bundesfinanzhof. Denn Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Zwischen der Tilgung der Haftungsschulden und der Tätigkeit des GmbH-Geschäftsführers besteht aus Sicht des BFH ein klarer Veranlassungszusammenhang, der den Werbungskostenabzug rechtfertigt. Es lagen auch keine besonderen Umstände vor, die diesen Zusammenhang wieder gelöst hätten. Insbesondere hat der Bundesfinanzhof darauf verwiesen, dass Haftungsschulden keine Steuern sind: Haftung ist ein Einstehenmüssen für fremde Steuern. Aus Sicht des GmbH-Geschäftsführers stellt die Zahlung bei der Haftungsinanspruchnahme damit eine Zahlung aufgrund einer eigenen Rechtsgrundlage dar, nämlich aufgrund § 69 und § 34 AO. Da Haftungsschulden keine Steuern sind, steht § 12 Nr. 3 EStG dem vollständigen Abzug einer Haftungsschuld als Werbungskosten nicht entgegen. Für GmbH-Geschäftsführer bedeutet dies, dass im Fall einer Haftungsinanspruchnahme zumindest ein teilweiser Ausgleich auf der privaten Einkommensteuerebene gesucht werden kann.

 

Wenn Sie Fragen zur Haftung eines GmbH-Geschäftsführers für Steuerschulden und zu den Auswirkungen des BFH-Urteils vom 08.03.2022 haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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BFH-Urteil verschlechtert Abwehrmöglichkeiten für Haftungsschuldner

ECLI:DE:BFH:2021:U.141221.VIIR14.19.0

Wiesbaden, den 24.08.2022

 

In seinem Urteil vom 14.12.2021, Az. VII R 14/19 (veröffentlicht am 24.03.2022), hat der BFH aufgezeigt, wie niedrig die Hürden für das Finanzamt sind, einen GmbH-Geschäftsführer für Steuerschulden oder Nebenleistungen (Zinsen, Säumniszuschläge) seiner GmbH in Haftung zu nehmen. Im entschiedenen Fall hatte eine GmbH steuerliche Leistungen in Gestalt von Investitionszulagen erhalten. Nach einigen Jahren entfielen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Investitionszulagen. Erst mehrere Jahre später, nachdem die GmbH bereits liquidiert worden war, forderte das beklagte Finanzamt die Rückzahlung der Investitionszulagen. Die GmbH war dazu mangels Vermögen nicht mehr in der Lage. Der GmbH-Geschäftsführer wurde im Streitfall wegen der angefallenen Säumniszuschläge in Haftung genommen. Der Bundesfinanzhof macht klar, dass bereits die Nichtzahlung festgesetzter, fälliger Steuern oder Nebenleistungen zu einem Steuerschaden führt und das Verschulden des GmbH-Geschäftsführers indiziert. Dass die betroffene GmbH zu dem Zeitpunkt, zu dem das Finanzamt Rückforderungsbescheide übermittelt hat, keine Zahlung mehr leisten konnte, war keine ausreichende Entschuldigung für den Geschäftsführer. Aus Sicht des BFH wäre es Aufgabe des Geschäftsführers gewesen, schon Jahre zuvor zu dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Investitionszulage entfallen waren, zu prüfen und sicherzustellen, dass die GmbH ausreichende Geldmittel hat, um spätere Rückforderungen des Finanzamts erfüllen zu können. Damit betont der BFH, dass der GmbH-Geschäftsführer und jeder gesetzliche Vertreter, der für Steuern haftet, eine vorausschauende Mittelvorsorge betreiben muss. Ansonsten wird bereits aus der Tatsache, dass die Nachforderung nicht bezahlt werden kann, geschlossen, dass eine Pflichtwidrigkeit vorliegt, die zur Haftung führt. Im Streitfall hat der BFH eine weitere wesentliche Handlungsanleitung für die Abwehr von Haftungsschulden gegeben: Im Streitfall hatte der GmbH-Geschäftsführer erst im Klageverfahren versucht, den Nachweis zu führen, dass die GmbH zahlungsunfähig war. Dies ist aus der Sicht des BFH zu spät: Vielmehr sei der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung durch das Finanzamt. Dies ist der Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung. Wird die Zahlungsunfähigkeit erst später vorgetragen, ist dies nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht rechtzeitig und kann einer gerichtlichen Entscheidung nicht mehr zugrunde gelegt werden.

 

Das vorliegende Urteil unterstreicht, wie notwendig zur Abwehr einer Haftungsinanspruchnahme eine langfristige Beobachtung möglicher Steuerrisiken ist. Zudem zeigt die Entscheidung, dass Angaben zur Liquiditätssituation der jeweiligen GmbH in Haftungssachen spätestens im Einspruchsverfahren vorzutragen sind.

 

Wenn Sie Fragen zur Haftung und zur Haftung für Säumniszuschläge haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 5.12.2019, II R 5/17, veröffentlicht am 12.03.2020, ECLI:DE:BFH:2019:U.051219.IIR5.17.0

Wiesbaden, 25.03.2020

 

In der Beratungspraxis der Erbschaft- und Schenkungsteuer tauchen regelmäßig Zweifelsfragen auf, wie die Bestimmungen in § 15 ErbStG (Steuerklassen) und § 16 ErbStG (Freibeträge) im Einzelfall zu verstehen sind. Im Streitfall war der Kläger der leibliche Vater eines Kindes, dessen Mutter bei der Geburt aber mit einem anderen Mann verheiratet war. Der Kläger hat seinem leiblichen Kind einen Geldbetrag geschenkt und die Schenkungsteuer übernommen. Das Finanzamt betrachtete die Schenkung als eine Schenkung unter fremden Dritten in der Steuerklasse III mit einem Freibetrag von 20.000,00 Euro und setzte für den Rest der Schenkung Schenkungsteuer fest. Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, dass für Schenkungen, die er seinem Kind mache, die Steuerklasse I zwischen Vater und Kind anzuwenden sei. Dies bringt einen Freibetrag von 400.000,00 Euro mit sich und seine Schenkung wäre steuerfrei geblieben.

 

Das Finanzgericht gab dem Kläger Recht und meinte, dass aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch der biologische Vater schenkungsteuerlich dem rechtlichen Vater gleichgestellt werden müsse. Auf die Revision des Finanzamts hat der Bundesfinanzhof dieses Urteil des Finanzgerichts nun aufgehoben und hat die Klage letztinstanzlich abgewiesen.

 

Der Bundesfinanzhof hat in dieser vom Kläger und seinem Steueranwalt geführten Revisionsverfahren klargestellt, dass für die Einteilung in Steuerklassen gemäß § 15 Abs. 1 ErbStG allein die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Abstammung und Verwandtschaft maßgeblich sind. Danach ist Vater eines Kindes im bürgerlich-rechtlichen Sinne der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt entweder der Mann, der mit der Mutter verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 BGB). Nur das Vorliegen einer dieser drei Voraussetzungen führe dazu, dass ein Mann als rechtlicher Vater angesehen wird. Die rein biologische Abstammung führt dagegen nicht zur „rechtlichen Vaterschaft“ im Sinne von § 1592 BGB. Auch die Bestimmung des § 15 Abs. 1a ErbStG spricht nicht dagegen: Nach dieser Vorschrift gilt ein Kind, das durch Adoption die rechtliche Verwandtschaft zu seinem bisherigen Vater verloren hat, dennoch im Verhältnis zum bisherigen Vater als Mitglied der Steuerklasse I und kann den vollen Freibetrag sowohl von seinem früheren Vater als auch von dem adoptierenden Elternteil in Anspruch nehmen. Darauf hatte der Steueranwalt des Klägers im Revisionsverfahren hingewiesen. Der Bundesfinanzhof meint aber, dass gerade die Existenz der Sonderbestimmung des § 15 Abs. 1a ErbStG zeige, dass in allen anderen Fällen die Zugehörigkeit zur Steuerklasse allein nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zu bestimmen ist. Denn ansonsten hätte es der Sonderbestimmung des § 15 Abs. 1a ErbStG nicht bedurft. Da diese Sonderbestimmung nur auf Adoptionsfälle anwendbar sei, könne diese Vorschrift im vorliegenden Fall nicht angewendet werden. Auch das Grundgesetz mache (wegen des verfassungsrechtlichen Gebots des Schutzes von Ehe und Familie, Artikel 6 GG) keine andere Auslegung erforderlich: Denn die grundgesetzliche Norm schütze das Elternrecht des rechtlichen Vaters. Träger des Elternrechts ist, wer in Folge der Voraussetzungen des § 1592 BGB rechtlicher Vater eines Kindes ist. Ein „Nebeneinander von zwei Vätern“ entspreche dagegen nicht der Vorstellung des Gesetzgebers von elterlicher Verantwortung, wie sie Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG zugrunde liegt.

 

Wenn Sie Fragen zum Thema Freibeträge und Steuervergünstigungen in der Erbschaftssteuer, in der Schenkungsteuer oder im Gesellschaftsrecht haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.1.2020, VIII R 27/17, veröffentlicht am 19.03.2020, ECLI:DE:BFH:2020:U.140120.VIIIR27.17.0

Wiesbaden, 27.03.2020

 

Spätestens seit dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung im Mai 2018 sind externe Datenschutzbeauftragte stark gefragte Dienstleister. Aufgrund der häufig unterschiedlichen Vorbildung stellt sich auch in steuerlicher Hinsicht die Frage, ob sie Einkünfte aus selbstständiger, insbesondere freiberuflicher Tätigkeit oder aus gewerblicher Tätigkeit erzielen.

 

Im Streitfall hatte ein als Rechtsanwalt tätiger Dienstleister, der zusätzlich noch als externer Datenschutzbeauftragter für Unternehmen tätig war, geltend gemacht, dass seine Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter gemäß § 18 Abs. 1 EStG als freiberufliche Tätigkeit einzuordnen sei. Das Finanzamt lehnte dies ab und setzte zum einen Gewerbesteuermessbeträge fest. Darüber hinaus forderte das Finanzamt vom Kläger die Vorlage von Jahresabschlüssen. Insbesondere an der Buchführungspflicht für Gewerbetreibende gemäß § 141 Abs. 1 AO störte sich der Kläger und stellte sich auf den Standpunkt, dass er als Rechtsanwalt freiberuflich tätig sei und deshalb keinen Jahresabschluss vorlegen müsse. Sowohl vor dem Finanzgericht als auch vor dem Bundesfinanzhof blieb die Argumentation des Klägers und seines Steueranwalts erfolglos: Der Beruf des „externen Datenschutzbeauftragten“ sei im Katalog der freiberuflichen Tätigkeiten des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht enthalten, so der Bundesfinanzhof. Der Beruf des Datenschutzbeauftragten sei ein eigenständiger, von der Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt abzugrenzender Beruf. Diese Tätigkeit erfordere weder eine einem Rechtsanwalt vergleichbare akademische Ausbildung noch übe der externe Datenschutzbeauftragter einen dem Beruf des Rechtsanwalt ähnlichen Beruf aus. Auch wenn berufsrechtlich ein Datenschutzbeauftragter mit anwaltlicher Vorbildung als „SyndikusRechtsanwalt“ zugelassen werden könne, so bedeute dies für das Steuerrecht und für das Gesellschaftsrecht noch nicht, dass in dieser Tätigkeit eine selbstständige Tätigkeit zu sehen sei. Auch als „sonstige selbstständiger Arbeit“ gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG wie zum Beispiel die eines Testamentsvollstreckers oder eines Aufsichtsratsmitglieds könne die Tätigkeit des externen Datenschutzbeauftragten nicht angesehen werden. Die entsprechende Vorschrift sei nämlich kein Auffangtatbestand. Der Bundesfinanzhof hat damit letztinstanzlich die Gewerblichkeit der Einkünfte von externen Datenschutzbeauftragten festgestellt.

Wenn Sie Fragen zur Abgrenzung von gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit im Einkommensteuerrecht und im Gesellschaftsrecht haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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Erste Entscheidungen der Finanzämter über Steuerstundungen und das Schreiben des Bundesfinanzministeriums wegen der Auswirkungen des Corona-Virus vom 19.03.2020 liegen vor.

Wiesbaden, den 30.03.2020

 

Um den beispiellosen wirtschaftlichen Auswirkungen der gerade begonnenen Corona-Pandemie entgegenzutreten, hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz am 13.03.2020 das Bild von der „Bazooka“ bemüht, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Bundesregierung nun die größtmöglichen Anstrengungen unternehmen wolle, um Unternehmen und Steuerpflichtigen in dieser Situation finanziell beizustehen. Die sonst nur unter strengen Voraussetzungen gewährten Steuerstundungen (§222 AO) sollten dazugehören und unbürokratisch und zinslos gewährt werden. 

 

Die ersten Reaktionen der Finanzämter sind dagegen ernüchternd: Immer noch werden Nachweise angefordert, mit denen Steuerpflichtige belegen sollen, ob sie wirklich von „Corona“ betroffen ist. Und wo gestundet wird, da wird oft nur eine Ratenzahlung für die nächsten sechs Monate gewährt – wissend, dass es genau die nächsten sechs Monate sein werden, in denen Unternehmen und Steuerpflichtige die nicht absehbaren Folgen von „Corona“ auffangen müssen. Die Finanzämter reagieren zögerlich und geben den Steuerpflichtigen derzeit nur Mini-Stundungen statt „Bazooka“. 

 

Der Grund dafür ist nicht nur das erwartbare Misstrauen, mit dem sich die Finanzverwaltung offenbar dazu berufen sieht, die großzügigen Zusagen der politischen Leitung gegenüber den Steuerpflichtigen zu „ordnen“ oder zu „kanalisieren“. Den Grund für diese Mini-Stundungen dürfte das Bundesfinanzministerium selbst gelegt haben, mit einem viel zu unscharfen Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 19.03.2020.   

 

Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 19.03.2020 soll den Finanzämtern zum Umgang mit Stundungsanträgen, Vollstreckungsmaßnahmen und der Anpassung von Vorauszahlungen Anweisungen geben. Diese Anweisungen fallen viel zu vage aus:

 

 

 

 

Das Schreiben differenziert danach, ob ein Steuerpflichtiger „unmittelbar und nicht unerheblich“ von den Auswirkungen des Corona-Virus betroffen ist oder nicht. Wann genau ein Steuerpflichtiger unmittelbar und nicht unerheblich betroffen ist, lässt das Schreiben aber unbeantwortet und überlässt die Entscheidung schlicht den Finanzämtern. Hier ist Steuerstreit in jedem Einzelfall praktisch vorprogrammiert.

 

Auch wer tatsächlich „unmittelbar und nicht unerheblich“ betroffen ist, erhält mit dem Schreiben nur wenig konkrete Unterstützung: Solche Steuerpflichtige „können“ bis zum 31.12.2020 „unter Darlegung ihrer Verhältnisse“ Anträge auf Stundung sowie auf Anpassung von Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer stellen. Dies ist steuerrechtlich eine Binsenweisheit, da eine Antragstellung gemäß § 222 AO ohnehin jedermann offensteht, auch ohne „Corona-Virus“. Wichtig wäre eine klare Vorgabe gewesen, wie mit den Anträgen umzugehen ist, dass zu stunden ist und für welchen Zeitraum die Stundung jedenfalls erfolgen soll. Hier beschränkt sich das Schreiben des Bundesministeriums aber auf „Empfehlungen“: Es „sollen“ bei der Nachprüfung der Voraussetzung für die Stundung keine strengen Anforderungen gestellt werden. Die Anträge „sollen“ nicht deshalb abgelehnt werden, weil die Steuerpflichtigen die entstandenen Schäden aufgrund des Corona-Virus wertmäßig nicht im Einzelnen nachweisen können. Von der Erhebung von Stundungszinsen „kann in der Regel“ abgesehen werden. Bis zum 31.12.2020 „sollen“ auch keine Vollstreckungsmaßnahmen bei rückständigen Steuern eingeleitet werden. Insgesamt werden in dem Schreiben nur verfahrensrechtliche Selbstverständlichkeiten aufgelistet, da gegenwärtig kaum ein unternehmerisch tätiger Steuerpflichtiger beziffern kann, wie schwerwiegend sich die Corona-Pandemie in seinen Umsätzen in der nächsten Zukunft auswirken wird. Der Sinn der von Bundesfinanzminister Scholz in Aussicht gestellten Stundung, nämlich dem Steuerpflichtigen den Puffer zu geben, um sich wirksam gegen die schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen der nächsten Wochen und Monate zu wappnen, mit denen immerhin die Bundesregierung selbst rechnet, wenn Bundeskanzlerin Merkel von „der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“ spricht, wird damit klar verfehlt.

 

Hier hätten sich die Steuerpflichtigen und ihre Steuerberater und Steueranwälte eindeutigere und klar messbare Vorgaben an die Finanzämter gewünscht. Dass es solcher Vorgaben bedarf, zeigt die bisher nur misstrauisch-zögerliche Behandlung der Stundungsanträge durch die Finanzämter. Erst die kommenden Wochen werden zeigen, ob sich die Folgen der Pandemie so verschärfen, dass die Finanzverwaltung hier nachbessern muss. Gegen abgelehnte Anträge kann ein Einspruch erhoben werden und gegebenenfalls die Verpflichtungsklage zum Finanzgericht. Angesichts der Eilbedürftigkeit ist in vielen Fällen der Antrag auf eine einstweilige Anordnung durch das Finanzgericht zu prüfen.

 

Wenn Sie Fragen zur Stundung von Steuern haben, zum Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 19.03.2020 und zu steuerlichen Erleichterungen in der Corona-Krise, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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Die Kanzlei Dr. Hackenberg führt einen Musterfall wegen der Stundung von Einkommen-steuer für Gewerbetreibende und Selbstständige.

In der Berichterstattung über das Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder am 12.03.2020 wurde ausdrücklich hervorgehoben, dass zur Unterstützung der Wirt-schaft angesichts der negativen Folgen der Corona-Epidemie auch die zinslose Stundung von Steuern gehöre. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat am 13.03.2020 eine zinslose und „unbürokratische“ Stundung fälliger Steuern in Aussicht gestellt.

Eine Stundung ist gemäß § 222 S. 1 AO dann möglich, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicher-heitsleistung gewährt werden. Im Übrigen sind gestundete Steuerberträge im Normalfall zu verzinsen, §234 AO. Die Stundung stellt eine Ermessensentscheidung des Finanzamts dar, die auch ohne Sicherheitsleistung möglich ist. Diese Ermessensentscheidung ist gerichtlich überprüfbar, falls die Finanzverwaltung die Voraussetzungen für die Gewährung der Stundung verkennt. Die Stundung kann für alle Steuerarten, also Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Kör-perschaftsteuer und (von den Gemeinden) Gewerbesteuer gewährt werden. Am 13.03.2020 hat das Bundesfinanzministerium zum Maßnahmenpaket wegen der Coronavirus-Epidemie auf seiner Hompage erklärt: „Wir werden den Finanzbehörden erleichtern, Stundungen von Steuerschulden zu gewähren.“ Die Kanzlei Dr. Hackenberg hat am 13.03.2020 in einem Mus-terfall einen Stundungsantrag gestellt. Über die Reaktionen des Finanzamts wird an dieser Stelle weiter berichtet.

Wenn Sie Fragen zum Thema Stundung und steuerliche Auswirkungen des Corona-Virus haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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Bundesgerichtshof, II-ZR-406/17, Urteil vom 02.07.2019

Im Gesellschafterstreit unter GmbH-Gesellschaftern kommt dem Inhalt der Liste der Gesellschafter erhebliche Bedeutung zu. Denn im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Gesellschafter nur, wer in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Von der Gesellschafterliste geht eine formelle Legitimationswirkung aus (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG): Nur wer dort eingetragen ist, ist zu Gesellschafterversammlungen zu laden, kann an Abstimmungen teilnehmen, auch an Abstimmungen über die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers.

Im Streitfall war der Geschäftsanteil eines GmbH-Gesellschafters eingezogen worden. Der GmbH-Gesellschafter wehrte sich mit seinem Rechtsanwalt für Gesellschaftsrecht dagegen und erhob Klage. Es wurde eine einstweilige Verfügung erwirkt, die es der GmbH bis zur endgültigen Entscheidung über die Klage verbot, Fakten zu schaffen und eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen, in der der Kläger nicht mehr als GmbH-Gesellschafter genannt wurde. Die GmbH reichte trotzdem eine neue Gesellschafterliste ein, in der der Kläger fehlte. Die GmbH berief sich darauf, dass der Kläger aufgrund der Legitimationswirkung der neuen Gesellschafterliste keine Gesellschafterrechte mehr habe und auch nicht mehr zu laden sei.

Dem hat der Bundesgerichtshof eine Absage erteilt: Die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG steht nämlich unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben (§242 BGB). Nach Treu und Glauben kann sich die Gesellschaft auf die Legitimationswirkung einer Gesellschafterliste unter anderem dann nicht berufen, wenn sie selbst durch unredliches Verhalten die Aufnahme der Gesellschafterliste im Handelsregister herbeigeführt hat. Was „unredlich“ ist, ist stets anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Eine unzulässige Rechtsausübung kann unter anderem dann vorliegen, wenn sich ein Berechtigter auf eine formale Rechtsposition beruft, die er durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erlangt hat. Im vorliegenden Fall hat die GmbH nach Auffassung des Bundesgerichtshofs bewusst gegen das Verbot verstoßen, eine neue Gesellschafterliste einzureichen und damit ein unredliches Verhalten an den Tag gelegt, so dass sie sich nicht auf die sonst geltende Legitimationswirkung der Liste der Gesellschafter berufen konnte.

Das Urteil hat Bedeutung für jeden Gesellschafterstreit unter GmbH-Gesellschaftern, da es einen pauschalen Verweis auf eine Liste der Gesellschafter entkräftet, die ein Mitgesellschafter vorschnell und nur in schädigender Absicht beim Handelsregister eingereicht hat. Das Urteil verbessert deshalb die Rechtsposition von GmbH-Gesellschaftern, die sich einer ungerechtfertigten Einziehung ihrer Anteile oder einem Ausschluss gegenübersehen.

Wenn Sie Fragen zum Thema Gesellschafterstreit und Gesellschafterliste haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht und Gesellschaftsrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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