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Bundesfinanzhof dehnt Haftung von Organgesellschaften aus

ECLI:DE:BFH:2022:U.050422.VIIR18.21.0

Wiesbaden, den 08.09.2022

 

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 05.04.2022, Az. VII R 18/21, veröffentlicht am 08.09.2022, den Umfang der Haftung von Organgesellschaften für Umsatzsteuer klargestellt. Eine Organgesellschaft ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert. Diese „umsatzsteuerliche Organschaft“ stellt für Umsatzsteuerzwecke ein einheitliches Unternehmen dar. Alle Steuerpflichten, einschließlich der Abgabe von Voranmeldungen und Jahressteuererklärungen, hat der Organträger zu erfüllen.

 

Im entschiedenen Fall ist vor dem Monatsende das Insolvenzverfahren über die eingegliederte Organgesellschaft eröffnet worden. Damit endete die umsatzsteuerliche Organschaft. Die Umsatzsteuer für diesen Kalendermonat hat der Organträger, ebenfalls eine GmbH, fristgerecht angemeldet. Auch der Organträger musste Insolvenz anmelden, so dass die angemeldete Umsatzsteuer nicht bezahlt werden konnte. Das Finanzamt meldete nun die nicht bezahlte Umsatzsteuer beim Insolvenzverwalter der Organgesellschaft als Forderung an. Der Insolvenzverwalter erhob dagegen erfolglos Einspruch und klagte vor dem Finanzgericht. Das Finanzgericht gab dem Insolvenzverwalter zwar Recht: Zwar sehe das Gesetz in § 73 Abgabenordnung (AO) eine Haftung von Organgesellschaften vor. Allerdings entstehe die Umsatzsteuer jeweils erst mit dem Ablauf eines Voranmeldungszeitraums, hier mit dem Ablauf des Kalendermonats. Da das Insolvenzverfahren der Organgesellschaft aber während des laufenden Kalendermonats eröffnet worden sei, habe der Fälligkeitszeitpunkt der Steuer erst nach Beendigung der Organschaft gelegen. Aus diesem Grund sei die Steuer außerhalb der Organschaft entstanden und die Organgesellschaft hafte nicht. Mit dieser Entscheidung hatte das Finanzgericht (EFG 2021, 1953) die herrschende Meinung in der Rechtsliteratur übernommen, die schon seit langem davon ausging, dass sich die Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers nur auf solche Steuern beschränkt, die während der Dauer des Organschaftsverhältnisses entstanden sind. (Rüsken, in: Klein, Abgabenordnung, 15. Auflage, § 73 Rdnr. 6). Dieser Auffassung hat der BFH nun in seiner Entscheidung eine Absage erteilt. Der BFH schloss sich vielmehr der Finanzverwaltung an, die schon bisher der Auffassung war, dass es für eine Haftung der Organgesellschaft ausreiche, wenn Steuern während der Dauer der Organschaft verursacht worden sind (AEAO zu § 73 Ziffer 3.2.). Denn der Haftungstatbestand des § 73 AO wolle eine Haftungslücke vermeiden. Würde die Haftung alleine auf solche Steuern beschränkt, die tatsächlich innerhalb des wirksamen Organschaftsverhältnisses entstanden seien, drohten Fälle wie der vorliegende, in dem das Organschaftsverhältnis vor dem steuerlichen Entstehungszeitpunkt beendet werde und die Steuer dann beim Organträger nicht mehr einbringlich ist. Diese Einschätzung entspricht nach Auffassung des Bundesfinanzhofs auch dem gesetzgeberischen Willen, wie er sich bei der Einführung von § 73 AO 1977 ergeben habe. Es ist deshalb nach Auffassung des BFH stets zu differenzieren: Umsatzsteuer, soweit sie während des bestehenden Organschaftsverhältnisses entstanden ist und auf die Organgesellschaft entfällt, unterliegt noch der Haftung. Die Umsatzsteuer, die erst nach der Beendigung des Organschaftsverhältnisses durch Insolvenzeröffnung entstanden ist, unterliegt der Haftung nicht mehr. Der Bundesfinanzhof hat hier eine Klarstellung vorgenommen, die das Haftungsrisiko für Organgesellschaften künftig erhöhen wird.

 

Wenn Sie Fragen zu dem Thema Haftung für Umsatzsteuer und umsatzsteuerliche Organschaft haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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Neuer BFH Beschluss stärkt die Rechtsposition der Steuerpflichtigen

ECLI:DE:BFH:2022:B.280722.IIB37.21.0

Wiesbaden, den 31.08.2022

 

Der BFH hat in seinem Beschluss vom 28.07.2022, Az. II B 37/21 (veröffentlicht am 25.08.2022), die Rechte von Steuerpflichtigen bei Kettenschenkungen gestärkt. In dem entschiedenen Fall hatte ein Vater seiner Tochter ein Grundstück geschenkt. In der gleichen Notarurkunde hat die Tochter sodann die Hälfte des Grundstücks an ihren Ehemann weiterverschenkt. Das Finanzamt hat sich auf den Standpunkt gestellt, damit liege eine Schenkung (des halben Grundstücks) des Vaters an seinen Schwiegersohn vor und hat Schenkungsteuer festgesetzt. Das Finanzgericht hat den Schenkungsteuerbescheid auf Klage des Schwiegersohns aufgehoben. Die dagegen vom Finanzamt erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH in seinem Beschluss zurückgewiesen.

 

Der entschiedene Fall ist ein Beispiel dafür, dass in der Praxis oft immer noch Kettenschenkungen in einer Notarurkunde zusammengefasst werden. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erlaubt das zwar. Der Bundesfinanzhof verlangt aber dann, dass der erste Beschenkte in seiner Entscheidung darüber, ob er überhaupt weiter verschenken möchte, tatsächlich frei ist (Dispositionsbefugnis) und dass dies aus der zusammengefassten Urkunde auch eindeutig hervorgeht.

 

Im entschiedenen Fall hatte das Finanzamt sich auf den Standpunkt gestellt, dass beide aufeinanderfolgenden Schenkungen so in der Urkunde zusammengefasst seien, dass sich aus der Urkunde nicht ergebe, dass die Tochter in ihrer Entscheidung über das Weiterverschenken frei wäre. Aus diesem Grund hatte das Finanzamt gegen das finanzgerichtliche Urteil Revision eingelegt.

 

Der Bundesfinanzhof ließ dieses Argument nicht gelten: Im vorliegenden Fall sei nicht ersichtlich, dass die zuerst beschenkte Tochter in ihrer Entscheidung über die Weiterschenkung an ihren Ehemann nicht frei gewesen sei. Alleine aus der Zusammenfassung in einer Urkunde lasse sich das nicht nehmen.

 

Der Fall zeigt jedoch, dass es in vergleichbaren Konstellationen stets empfehlenswert ist, die Schenkungen in zwei unterschiedlichen Notarurkunden durchzuführen. Zwar möchten die Beteiligten oft Notargebühren sparen. Der vorliegende Fall zeigt aber, dass es weitaus kostengünstiger ist, Kettenschenkungen von Anfang auf zwei Urkunden zu verteilen und zwischen diesen Urkunden nach Möglichkeit auch noch einen zeitlichen Abstand einzuhalten, als ein mehrjähriges Finanzgerichtsverfahren über diese Frage zu führen.

 

Wenn Sie Fragen zum Thema Kettenschenkung und zu deren steuerlicher Anerkennung haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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Neuer BFH-Beschluss bestätigt Rechtsprechung

ECLI:DE:BFH:2022:BA.230522.VB4.22.0

Wiesbaden, den 22.08.2022

 

Ob die Höhe von Säumniszuschlägen verfassungswidrig ist, ist seit langem umstritten. Gemäß § 240 Abgabenordnung (AO) fällt für festgesetzte, nicht bezahlte Steuern ein Säumniszuschlag von 1% pro angefangenen Monat an, stolze 12% pro Jahr. Die regulären Zinsen hingegen, die das Finanzamt für die Zeit bis zur Festsetzung berechnet, betragen nach der kürzlichen Neufassung von § 233a AO nur 1,8% pro Jahr. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte zuvor am 08.07.2021 (Az. 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282) entscheiden, dass der zuvor geltende Zinssatz von 6% pro Jahr für reguläre Zinsen verfassungswidrig hoch war und für Zeiträume ab dem 01.01.2019 überhaupt nicht mehr erhoben werden durften.

 

Für Säumniszuschlage ist anerkannt, dass sie zum Teil ein Druckmittel sind, um die Steuerpflichtigen zur Zahlung anzuhalten, zum Teil aber auch Zinscharakter haben, da sie den Fiskus für den Aufwand der nicht rechtzeitigen Zahlung entschädigen sollen. Daraus hat der Bundesfinanzhof schon bisher vereinzelt geschlossen, dass die Verfassungswidrigkeit der früheren Zinshöhe von 6% zumindest auch den Zinsanteil in den Säumniszuschlägen verfassungswidrig machen müsse. Das hat der Bundesfinanzhof jetzt in einem Beschluss vom 23.05.2022 bekräftigt (BFH, Beschluss vom 23.05.2022, V B 4/22 (AdV), lexinform-Dok.-Nr.: 4249563. 

 

Dabei geht der Bundesfinanzhof auch vom Beschluss des BVerfG vom 08.07.2021 aus. In Kenntnis dieser Entscheidung habe der VII. Senat des BFH in einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 31.08.2021 entschieden, dass er seine schon zuvor geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen aufrechterhält, da Säumniszuschlägen unter anderem auch eine zinsähnliche Funktion zukommt (BFH, Beschluss vom 31.08.2021, Az. VII B 69/21, n.v.). Dem hat sich nun der V. Senat in seinem Beschluss vom 23.05.2022, V B 4/22 (AdV) (veröffentlicht am 21.07.2022) angeschlossen. Da es zudem eine „Teilverfassungswidrigkeit“  nicht geben könne, erfassen die ernstlichen Zweifel die gesamte Höhe der Säumniszuschläge (vgl. BFH, Beschluss vom 04.07.2019, Az. VIII B 128/18, BFH/NV 2019, 1060, Rdnr. 16), die deshalb in dem entschiedenen Fall in voller Höhe ausgesetzt wurden.  

 

 

 

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 23.05.2022 erging in einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes (Aussetzung der Vollziehung), so dass abzuwarten bleibt, wie das Gericht diese Frage in der Hauptsache entscheidet. Da nun aber schon zwei Senate des BFH ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen geäußert haben und der Beschluss nun auch veröffentlicht wurde, zeichnet sich hier eine Rechtsprechungsmeinung zugunsten der Steuerpflichtigen ab. Säumniszuschläge sollten deshalb mit Hinweis auf diese Rechtsprechung angegriffen und der Höhe nach überprüft werden.

 

Wenn Sie Fragen zu Säumniszuschlägen und zu den Auswirkungen des BFH-Beschlusses vom 23.05.2022 haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.

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