Bundesfinanzhof, Urteil vom 5.12.2019, II R 5/17, veröffentlicht am 12.03.2020, ECLI:DE:BFH:2019:U.051219.IIR5.17.0
Wiesbaden, 25.03.2020
In der Beratungspraxis der Erbschaft- und Schenkungsteuer tauchen regelmäßig Zweifelsfragen auf, wie die Bestimmungen in § 15 ErbStG (Steuerklassen) und § 16 ErbStG (Freibeträge) im Einzelfall zu verstehen sind. Im Streitfall war der Kläger der leibliche Vater eines Kindes, dessen Mutter bei der Geburt aber mit einem anderen Mann verheiratet war. Der Kläger hat seinem leiblichen Kind einen Geldbetrag geschenkt und die Schenkungsteuer übernommen. Das Finanzamt betrachtete die Schenkung als eine Schenkung unter fremden Dritten in der Steuerklasse III mit einem Freibetrag von 20.000,00 Euro und setzte für den Rest der Schenkung Schenkungsteuer fest. Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, dass für Schenkungen, die er seinem Kind mache, die Steuerklasse I zwischen Vater und Kind anzuwenden sei. Dies bringt einen Freibetrag von 400.000,00 Euro mit sich und seine Schenkung wäre steuerfrei geblieben.
Das Finanzgericht gab dem Kläger Recht und meinte, dass aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch der biologische Vater schenkungsteuerlich dem rechtlichen Vater gleichgestellt werden müsse. Auf die Revision des Finanzamts hat der Bundesfinanzhof dieses Urteil des Finanzgerichts nun aufgehoben und hat die Klage letztinstanzlich abgewiesen.
Der Bundesfinanzhof hat in dieser vom Kläger und seinem Steueranwalt geführten Revisionsverfahren klargestellt, dass für die Einteilung in Steuerklassen gemäß § 15 Abs. 1 ErbStG allein die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Abstammung und Verwandtschaft maßgeblich sind. Danach ist Vater eines Kindes im bürgerlich-rechtlichen Sinne der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt entweder der Mann, der mit der Mutter verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 BGB). Nur das Vorliegen einer dieser drei Voraussetzungen führe dazu, dass ein Mann als rechtlicher Vater angesehen wird. Die rein biologische Abstammung führt dagegen nicht zur „rechtlichen Vaterschaft“ im Sinne von § 1592 BGB. Auch die Bestimmung des § 15 Abs. 1a ErbStG spricht nicht dagegen: Nach dieser Vorschrift gilt ein Kind, das durch Adoption die rechtliche Verwandtschaft zu seinem bisherigen Vater verloren hat, dennoch im Verhältnis zum bisherigen Vater als Mitglied der Steuerklasse I und kann den vollen Freibetrag sowohl von seinem früheren Vater als auch von dem adoptierenden Elternteil in Anspruch nehmen. Darauf hatte der Steueranwalt des Klägers im Revisionsverfahren hingewiesen. Der Bundesfinanzhof meint aber, dass gerade die Existenz der Sonderbestimmung des § 15 Abs. 1a ErbStG zeige, dass in allen anderen Fällen die Zugehörigkeit zur Steuerklasse allein nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zu bestimmen ist. Denn ansonsten hätte es der Sonderbestimmung des § 15 Abs. 1a ErbStG nicht bedurft. Da diese Sonderbestimmung nur auf Adoptionsfälle anwendbar sei, könne diese Vorschrift im vorliegenden Fall nicht angewendet werden. Auch das Grundgesetz mache (wegen des verfassungsrechtlichen Gebots des Schutzes von Ehe und Familie, Artikel 6 GG) keine andere Auslegung erforderlich: Denn die grundgesetzliche Norm schütze das Elternrecht des rechtlichen Vaters. Träger des Elternrechts ist, wer in Folge der Voraussetzungen des § 1592 BGB rechtlicher Vater eines Kindes ist. Ein „Nebeneinander von zwei Vätern“ entspreche dagegen nicht der Vorstellung des Gesetzgebers von elterlicher Verantwortung, wie sie Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG zugrunde liegt.
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