Neuer BFH-Beschluss bestätigt Rechtsprechung
ECLI:DE:BFH:2022:BA.230522.VB4.22.0
Wiesbaden, den 22.08.2022
Ob die Höhe von Säumniszuschlägen verfassungswidrig ist, ist seit langem umstritten. Gemäß § 240 Abgabenordnung (AO) fällt für festgesetzte, nicht bezahlte Steuern ein Säumniszuschlag von 1% pro angefangenen Monat an, stolze 12% pro Jahr. Die regulären Zinsen hingegen, die das Finanzamt für die Zeit bis zur Festsetzung berechnet, betragen nach der kürzlichen Neufassung von § 233a AO nur 1,8% pro Jahr. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte zuvor am 08.07.2021 (Az. 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282) entscheiden, dass der zuvor geltende Zinssatz von 6% pro Jahr für reguläre Zinsen verfassungswidrig hoch war und für Zeiträume ab dem 01.01.2019 überhaupt nicht mehr erhoben werden durften.
Für Säumniszuschlage ist anerkannt, dass sie zum Teil ein Druckmittel sind, um die Steuerpflichtigen zur Zahlung anzuhalten, zum Teil aber auch Zinscharakter haben, da sie den Fiskus für den Aufwand der nicht rechtzeitigen Zahlung entschädigen sollen. Daraus hat der Bundesfinanzhof schon bisher vereinzelt geschlossen, dass die Verfassungswidrigkeit der früheren Zinshöhe von 6% zumindest auch den Zinsanteil in den Säumniszuschlägen verfassungswidrig machen müsse. Das hat der Bundesfinanzhof jetzt in einem Beschluss vom 23.05.2022 bekräftigt (BFH, Beschluss vom 23.05.2022, V B 4/22 (AdV), lexinform-Dok.-Nr.: 4249563.
Dabei geht der Bundesfinanzhof auch vom Beschluss des BVerfG vom 08.07.2021 aus. In Kenntnis dieser Entscheidung habe der VII. Senat des BFH in einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 31.08.2021 entschieden, dass er seine schon zuvor geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen aufrechterhält, da Säumniszuschlägen unter anderem auch eine zinsähnliche Funktion zukommt (BFH, Beschluss vom 31.08.2021, Az. VII B 69/21, n.v.). Dem hat sich nun der V. Senat in seinem Beschluss vom 23.05.2022, V B 4/22 (AdV) (veröffentlicht am 21.07.2022) angeschlossen. Da es zudem eine „Teilverfassungswidrigkeit“ nicht geben könne, erfassen die ernstlichen Zweifel die gesamte Höhe der Säumniszuschläge (vgl. BFH, Beschluss vom 04.07.2019, Az. VIII B 128/18, BFH/NV 2019, 1060, Rdnr. 16), die deshalb in dem entschiedenen Fall in voller Höhe ausgesetzt wurden.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 23.05.2022 erging in einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes (Aussetzung der Vollziehung), so dass abzuwarten bleibt, wie das Gericht diese Frage in der Hauptsache entscheidet. Da nun aber schon zwei Senate des BFH ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen geäußert haben und der Beschluss nun auch veröffentlicht wurde, zeichnet sich hier eine Rechtsprechungsmeinung zugunsten der Steuerpflichtigen ab. Säumniszuschläge sollten deshalb mit Hinweis auf diese Rechtsprechung angegriffen und der Höhe nach überprüft werden.
Wenn Sie Fragen zu Säumniszuschlägen und zu den Auswirkungen des BFH-Beschlusses vom 23.05.2022 haben, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht mit meiner Kanzlei für Steuerrecht in Wiesbaden gerne zur Verfügung.